Abschießen oder akzeptieren? Saatkrähe in Soest wieder Thema

Seit Jahren schon berät die Stadt Soest über den Umgang mit der streng geschützten Saatkrähe. "Knallt sie endlich ab", sagen die einen. "Lasst die Tiere endlich in Ruhe", die anderen. Was ist das Problem? Und wann sind viele Krähen zu viele? Jetzt soll ein Experte helfen.

© Dr. Margret Bunzel-Drüke / ABU

Wildtierforscher berät Stadt Soest zur Saatkrähe

Der vergangene Donnerstagabend im Soester Rathaus: Es tagt der Umweltausschuss. Auf Top 1 der Tagesordnung: Die Saatkrähen in Soest. Mal wieder. Rund 1.800 Brutpaare leben aktuell im Stadtgebiet - Tendenz steigend:

"So lange die Vögel Nahrung und Nistplätze finden, werden sie sich weiter vermehren", erklärt Dr. Oliver Krone.

Er ist Wildtierforscher und Tiermediziner und berät die Stadt Soest seit kurzem im Umgang mit den Saatkrähen. Vor dem Umweltausschuss stellt er verschiedene Maßnahmen vor. Manche davon klingen sehr extrem. So sei es möglich, Medikamente an die Vögel zu verfüttern, die ihre Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. Erste Versuche damit gebe es schon mit Stadttauben, erklärt Oliver Krone. Trotzdem wird diese Maßnahme erstmal Theorie bleiben: Denn es gebe bisher kaum Forschung dazu, wie sich die Wirkstoffe langfristig auf die Tiere auswirken.


"Es ist so wichtig, dass wir uns nicht komplett von der Natur entkoppeln"

Der Wissenschaftler aus Berlin rät auch zu pragmatischeren Lösungen: Flugdrachen zum Beispiel hätten andernorts schon gute Ergebnisse in der Abschreckung der Saatkrähen erzielt. Auch die Entnahme einzelner Nester an hygienisch besonders sensiblen Orten - wie zum Beispiel Restaurants oder Kinderspielplätzen - sei möglich. Es müsse aber auch ein Umdenken der Bevölkerung stattfinden, betont der Forscher:

"Das ist gerade in Zeiten der Digitalisierung, des Handy-Zeitalters so wichtig, dass wir uns nicht komplett von der Natur entkoppeln. Denn dann werden wir immer verständnisloser gegenüber potentiellen Konflikten. Und wir werden in jedem kleinen Amsel-Pups oder in jedem kleinen Amsel-Gesang ein Problem erkennen, das uns in unserer Freiheit eingrenzt", so Dr. Krone.

Er wirbt für mehr Akzeptanz gegenüber der Saatkrähe.

Ein Ansatz, den die Anwohner am Soester Clarenbachpark vermutlich nicht alle teilen. "Mit den Krähen leben? Ne, das möchte ich nicht", sagt eine Anwohnerin gegenüber Hellweg Radio. "Wenn die ihre Jungen bekommen, dann ist hier die ganze Auffahrt weiß", ergänzt ihr Nachbar. "Aber was sollen wir machen? Man muss es nehmen, wie es ist."

In diesem Jahr ist bei der Stadt Soest bisher keine Beschwerde wegen der Saatkrähen eingegangen. Dirk Franke von der Stadtverwaltung führt das auch auf eine gute Öffentlichkeitsarbeit zurück:

"Wir haben im letzten Jahr einen Film über die Saatkrähen produziert, um auch in weiten Teilen der Bevölkerung Verständnis und Akzeptanz gegenüber diesen interessanten Tieren zu wecken", so Dirk Franke.


Stadt will weiter vergrämen - und baut auf Verständnis der Bevölkerung

Die Ausführungen des Experten seien hilfreich gewesen, betont Dirk Franke. "Wir werden weiter vergrämen. An hygienisch relevanten Standorten auch intensiv, um entsprechende Verdrängungseffekte zu erzielen." Ansonsten halte die Stadt es mit dem Rat des Experten: Langfristig müsste Soest wohl lernen, mit der Saatkrähe zu leben.


Podcast "Ährensache" zum Saatkrähen-Konflikt

In der neuen Folge von "Ährensache", unserem Hellweg Radio Landwirtschafts-Podcast, geht unsere Reporterin Eva Schulze-Gabrechten dem Konflikt rund um die Saatkrähe weiter auf den Grund. Sie spricht mit einem Landwirt, auf dessen Betrieb die Saatkrähen in diesem Jahr massive Schäden angerichtet haben. Ist das ein Einzelfall? Oder ein flächendeckendes Problem? Und ist der Abschuss der Saatkrähe wirklich eine Lösung? Jetzt hier in unserer Mediathek reinhören und überall da, wo es Podcasts gibt!

© Hellweg Radio

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