Streit um Zulassung von Windrädern

IHK Hellweg -Sauerland spricht von Wildwuchs beim Windkraftausbau. Landesverband Erneuerbare Energien NRW hält dagegen.

© Hellweg Radio / DR

Windkraft: ja, aber. So lässt sich ein Appell der heimischen Industrie und Handelskammer Hellweg-Sauerland zusammenfassen. Die heimischen Unternehmen brauchen erneuerbare Energie. Die Touristiker wollen ihren Gästen aber einen Ausblick ohne viele Windräder bieten. Um den Kompromiss sollte sich eigentlich eine Regionalplanung kümmern. Weil die aber noch monatelang nicht in Kraft tritt, warnt die heimische IHK Hellweg-Sauerland vor einem Wildwuchs beim Windkraftausbau. Es herrsche eine planungslose Zeit, die Investoren nutzen könnten, um sich Standorte zu sichern, die eigentlich gar nicht dafür vorgesehen sind. Die IHK fordert daher Politik in Land und Bund auf, den Zeitraum der ungesteuerten Zulassung von Windkraftanlagen zu verkürzen. Die IHK Arnsberg schreibt im Wortlaut:

Aus Sicht der Wirtschaft ist ein massiver Ausbau der Windenergie in der Region Hellweg-Sauerland unverzichtbar. Allerdings ist aus Sicht der IHK eine Steuerung erforderlich, die Vorrangzonen ausweist und gleichzeitig landschaftlich und touristisch sensible Bereiche schont und einer flächendeckenden Verteilung entgegenwirkt. Das OVG-Urteil vom 26. September gefährdet eine solche Steuerung. Die Regionalplanung verfolgt einen Steuerungsansatz, tatsächlich findet dieser allerdings erst mit Abschluss der laufenden Verfahren statt – aller Voraussicht nach im Sommer des kommenden Jahres. Eine übergangsweise Steuerung bis zur Rechtskraft dieser Pläne über § 36 (3) Landesplanungsgesetz hat das OVG in Münster jetzt für unwirksam erklärt.

„Es besteht die große Gefahr, dass in der Zwischenzeit Fakten geschaffen werden“,

beklagt IHK-Präsident Andreas Knappstein. Er verweist auf die aktuell dreistellige Zahl an Anträgen für Windräder in beiden Kreisen, die derzeit bei den Genehmigungsbehörden zur Entscheidung vorlägen. Es müsse damit gerechnet werden, dass Investoren nun die planungslose Zeit für weitere Anträge nutzten.

„Wenn Anlagen aber fast überall entstehen können, dann muss man sich auch im politischen Raum die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer später folgenden Konzentrationsflächenplanung stellen“,

so Knappstein. Gerade für den Tourismus im Sauerland sei es aber unverzichtbar, Landschaftsbilder in ihren Kernfunktionen zu erhalten, touristisch sensible Bereiche auszunehmen und eine Umzingelung von Ortslagen zu vermeiden. Der IHK-Präsident fordert daher Politik in Land und Bund auf, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der ungesteuerten Zulassung von Windkraftanlagen zu verkürzen. Dazu gehört einerseits ein zügiger Abschluss der laufenden Regionalplanverfahren. IHK-Hauptgeschäftsführer Jörg Nolte ergänzt:

„Uns ist bewusst, dass wir dabei in Verfahrenszwängen stecken und eine zeitliche Verkürzung auch die Gefahr von formalen oder inhaltlichen Fehlern mit Folgen für die Bestandskraft des Planwerks in sich birgt“.

Zum anderen müsse auf der Bundesebene geprüft werden, ob die dort verankerte bauliche Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich bereits dann entfallen kann, wenn die jeweiligen Länderplanungen ein fortgeschrittenes Entwurfsstadium erreicht hätten. Die gegenwärtige Kabinettsfassung der Novelle des BauGB hingegen sei hier völlig kontraproduktiv. Nolte:

„Derzeit macht der Bund mit seinem Entwurf die Lage nicht besser, denn er sieht eine sehr liberale Übergangsfrist für beantragte Vorhaben vor, so dass auch nach Rechtskraft des Regionalplanes noch Anlagen außerhalb der dann definierten Windenergiebereiche genehmigt werden müssten.“

Landesverband Erneuerbare Energien sieht das anders

Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW - LEE NRW - hält dagegen. Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Nordrhein-Westfalen bündelt der LEE NRW die Interessen aus allen Bereichen der Energiewende. Er spricht von der Mär vom „Wildwuchs“. Für den Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) müsse die Bezirksregierung Arnsberg ihre rechtswidrigen Aussetzungsbescheide für geplante Windenergieanlagen stoppen. Er schreibt:

Das Oberverwaltungsgericht NRW (OVG) hat Mitte dieser Woche in einem Eilverfahren zum zweiten Mal einen sogenannten Aussetzungsbescheid für eine geplante Windenergieanlage für rechtswidrig erklärt.

„Der LEE NRW hat mit dieser Entscheidung gerechnet. Es werden weitere Beschlüsse mit dem gleichen Tenor folgen werden, wenn die Bezirksregierung Arnsberg nicht ihre pauschalen Aussetzungsverfügungen zurücknimmt“,

kommentiert Vorsitzender Hans-Josef Vogel den Beschluss.

Fakt ist, dass die handwerklichen Fehler der Landesregierung im Planungsrecht (§ 36 Abs. 3 Landesplanungsgesetz) sowie die rechtswidrigen Aussetzungsanweisungen der Bezirksregierung Arnsberg zu erheblichen Irritationen geführt haben. Denn die Bezirksregierung Arnsberg hat es versäumt, auf den Einzelfall abzustellen und das sogenannte gesetzlich vorgeschriebene Ermessen auszuüben. Diese Fehler hat das OVG in seinen ersten beiden Entscheidungen bemängelt. Hans-Josef Vogel:

„Außerdem ist durch die überzogene Reaktion auf die OVG-Rechtssprechung der Eindruck entstanden, dass es einigen gar nicht um die Aussetzung von Genehmigungsverfahren, sondern um die pauschale Verhinderung der Windenergie geht. Das widerspricht aber dem Grundgesetzgebot des Klimaschutzes und damit dem Schutz von Freiheit und Gesundheit der nächsten Generationen sowie der Sicherheit der Energieversorgung.“

Die Korrektur der rechtswidrigen Aussetzungsverfügungen durch das OVG führt auch nicht zu einem „Wildwuchs“ bei den weiteren Planungen im Windsektor. Genau dieses Schlagwort nutzen aber Windkraft-Gegner als Argument gegen den weiteren Windkraftausbau.

„Städte und Gemeinden, die ihre Hausaufgaben gemacht und rechtlich korrekte Flächennutzungspläne mit entsprechenden Konzentrationszonen aufgestellt haben, sind überhaupt nicht betroffen“,

stellt LEE NRW-Vorsitzender Vogel fest. In allen anderen Fällen seien sämtliche öffentliche Belange auf der Grundlage der bekannten Fachgesetze im Genehmigungsverfahren umfassend zu prüfen und mit dem herausragenden öffentlichen Interesse abzuwägen. Hans-Josef Vogel:

„Wo relevante öffentliche Belange entgegenstehen, ist es weiter möglich, Windenergieanlagen nicht zuzulassen. Solche Entscheidungen bedürfen aber guter Gründe, die der Verfassung entsprechen müssen.“

Für Vogel, selbst Jurist, ist noch folgende Tatsache wichtig:

„In den nicht ausgesetzten Genehmigungsverfahren wird weder automatisch eine Genehmigung erteilt noch automatisch eine Genehmigung versagt. Es muss schlichtweg sorgfältig und rechtskonform der Einzelfall geprüft werden.“

Folglich falsch ist ebenfalls das Narrativ einer „Regelungslücke“, das derzeit insbesondere in einigen Kommunen im Sauerland die Runde macht. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne gelten weiterhin die rechtlichen Rahmenbedingungen, die sich bereits seit vielen Jahren bewährt haben. Windenergieanlagen, die in Kommunen errichtet werden sollen, in denen es keine bauleitplanerischen Konzentrationszonen gibt, waren und sind im Außenbereich privilegiert. Auch wenn die Planungsgrundlagen auf Basis des Windenergieflächenbedarfsgesetzes derzeit umgestellt werden, besteht diese Systematik seit mehr als 20 Jahren – und hat sich in diesen beiden Jahrzehnten bewährt. Auch die Befürchtungen um einen Einbruch beim Tourismus insbesondere sind unbegründet. In mehr als 320 der 396 nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden sind mittlerweile Windenergieanlagen in Betrieb. Die Windenergie ist Teil des Lebens der Menschen in Nordrhein-Westfalen und muss auch vor Tages- und Übernachtungsgästen nicht versteckt werden. Hans-Josef Vogel:

„Wenn Windenergieanlagen wirklich einen negativen Einfluss auf die Zahl der Urlauber haben sollten, dürfte es an der Nordseeküste längst keine Touristen mehr geben. In Nord- und Ostfriesland sowie in Dithmarschen, aber auch in Dänemark sind bereits heute weit mehr Windenergieanlagen in Betrieb als die, die im Sauerland für die nächsten Jahre geplant sind.“


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