Bauern im Burnout? Mehr Landwirte psychisch belastet
Veröffentlicht: Freitag, 18.10.2024 05:45
Psychische Erkrankungen sind auch unter Landwirtinnen und Landwirten verbreitet. Die ständige Überlastung auf vielen Betrieben, auch bei uns im Kreis Soest, kann zu Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen führen. Eine Landwirtin berichtet.
Ein Novembertag im Jahr 2021. Landwirtin Sabine Guntz ist im Kälberstall, sie muss die Tiere versorgen. Diese Aufgabe, die ihr eigentlich immer Freude gemacht hat, scheint für sie inzwischen unmöglich.
"Ich habe Stunden gebraucht, um meine Kälber zu versorgen. Ganz oft habe ich auch stundenlang am Stall gelehnt, und konnte einfach nicht mehr weitermachen."
Die Landwirtin leidet an Burnout und einer Depression. Das erfährt sie aber erst, als sie wegen eines Hörsturzes zum Arzt geht. Der rät ihr zu einer Psychotherapie. Ein Schock für die eigentlich so tatkräftige Bäuerin:
"Ich wollte die selbstbewusste Sabine Guntz sein. Die Landwirtin, die alles schafft - und sich selbst auch behandeln kann."
Die Landwirtin mit dem Milchviehbetrieb in Bayern versucht deshalb, sich mit Online-Kursen selbst zu helfen. Das funktioniert aber nicht, erzählt sie im Hellweg Radio - Podcast Ährensache:
"Aber es war so, wie ich es in der Landwirtschaft eben gewohnt war: Man macht das alleine. Und dann wird`s am besten."
Eine Einstellung, die die Psychologin Carola Benn gut kennt. Sie berät Landwirtinnen und Landwirte für die Krisenhotline der SVLFG - ein Angebot speziell für "grüne Berufe". Der Bedarf an Beratungsgesprächen wächst, sagt die Psychologin. Denn Landwirte stünden oft unter viel Druck:
Die gute Nachricht: Immer mehr Menschen, auch in der Landwirtschaft, würden offener über auch psychische Erkrankungen sprechen. Das sei ein wichtiger Schritt, so die Psychologin im Interview mit Ährensache. Auch Landwirtin Sabine Guntz steht inzwischen zu ihrer Erkrankung. Sie ist in psychotherapeutischer Behandlung und fühlt sich deutlich besser.
"Ich will mich nicht mehr schämen. Ich habe mich so lange geschämt - und lernen, Hilfe anzunehmen. Das habe ich auch in der Therapie gelernt. Und das war mein Schlüssel dazu, dass es mir besser geht."
Rückblickend wünscht sie sich, sie hätte sich früher Hilfe gesucht.
Landwirtin erzählt ihre Geschichte im Podcast "Ährensache"
In unserem Hellweg Radio Landwirtschafts-Podcast "Ährensache - Wie funktioniert eigentlich Landwirtschaft?" erzählt Sabine Guntz ausführlich über ihren Umgang mit der Erkrankung und was sich in ihrem Leben - aber auch auf dem Betrieb - seit der Diagnose verändert hat. Außerdem erläutert die Psychologin Carola Benn, warum die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft krank machen können. Und wie sich das ändern lässt.
Jetzt hier reinhören und überall da, wo es Podcasts gibt!
Hier bekommt ihr Hilfe, wenn es euch oder Menschen, die ihr kennt, psychisch nicht gut geht:
- Die Telefonseelsorge ist unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 rund um die Uhr erreichbar. Hier könnt ihr euch auch anonym beraten lassen.
- Speziell für Landwirtinnen und Landwirte und Menschen in anderen grünen Berufen ist die Krisenhotline der SVLFG da. Ein Team aus Psycholog:innen und psychiatrischen Fachpflegekräften steht an 7 Tagen die Woche, rund um die Uhr telefonisch beratend und anonym zur Seite. Ihr erreicht die SVLFG Krisenhotline unter 0561 785 - 10101.
- Auf der Website und unter der Telefonnummer 116 117 könnt ihr Termine für eine Psychotherapie vereinbaren. Innerhalb einer Woche muss die 116 117 einen Termin anbieten. Auch euer Hausarzt oder eure Hausärztin hilft weiter, wenn es euch psychisch nicht gut geht.