
Kreis Soest gegen komplettes Pflanzenschutzmittel-Verbot
Der Kreis Soest steht möglicherweise vor einschneidenden Veränderungen in der Landwirtschaft: Ein von der EU geplantes Pflanzenschutzmittel-Verbot könnte Gemüse, Kartoffeln und Raps auf den fruchtbaren Böden im Kreisgebiet nahezu nicht mehr anbaufähig machen.
Veröffentlicht: Donnerstag, 16.11.2023 06:41
Naturschützer warnen: 35.000 Hektar fruchtbarster Ackerboden in Gefahr
Das von der EU geplantes Pflanzenschutzmittel-Verbot würde das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde treffen, das fast komplett im Kreis Soest liegt. Vor der Entscheidung des EU-Parlaments in der kommenden Woche appellierten Landrätin Eva Irrgang, die Landwirtschaft und Naturschützer gemeinsam, das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde von der Regelung auszunehmen.
Landrätin über Auswirkungen im Kreis Soest: "Ein Schlag ins Gesicht"
An der Kartoffel lassen sich die Folgen eines Pflanzenschutzmittel-Verbots anschaulich machen: Wenn das Wetter kühl und feucht ist, schlägt schnell die Kraut- und Knollenfäule zu. In früheren Zeiten hätten dann massive Ernteausfälle durchaus zu Hungersnöten geführt – heute helfen Pflanzenschutzmittel dabei, die Ernte zu retten.
„Wenn diese bei uns auf rund 35.000 Hektar verboten werden, ist doch ganz klar, was passiert: Für unsere Landwirtschaft lohnt sich der Anbau von Kartoffeln, aber auch von Raps und vielen Gemüsesorten nicht mehr. Das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Landwirtinnen und Landwirte, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die wünschen sich regionale Produkte, weil sie wissen, dass da die Qualität stimmt, und weil sie mit kurzen Wegen die Umwelt und das Klima schützen wollen.“ sagte Landrätin Eva Irrgang.
Landwirte aus dem Kreis Soest zu Pflanzenschutzmitteln
Natur- und Klimaschutz liegt auch den Landwirten am Herzen. Jahr für Jahr untermauern das die beeindruckenden Teilnahmezahlen an Vertragsnaturschutz-Maßnahmen: Aktuell beteiligen sich kreisweit rund 570 landwirtschaftliche Betriebe mit rund 3.600 Hektar an den Vertragsnaturschutzprogrammen, davon liegen rund 2.000 Hektar innerhalb des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde. Auch das weitere Reduzieren der Pflanzenschutzmittel sei den Landwirtinnen und Landwirten ein großes Anliegen, untermauert Josef Lehmenkühler als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes: „Wir können aber nicht komplett darauf verzichten.“
Wie Pflanzenschutzmittel auf den Betrieben eingesetzt werden, erläutert Kreislandwirtin Gerlinde Hollmann:
„Genau wie bei Medikamenten sind die Prinzipien: Nur dann, wenn es unbedingt nötig ist und nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich, um die Pflanzen gesund zu erhalten. Wie auch bei Medikamenten geht es bei Pflanzenschutzmitteln nicht ganz ohne ihren Einsatz.“
ABU im Kreis Soest "Weniger ist mehr bei Pflanzenschutzmitteln"
Weniger ist mehr bei Pflanzenschutzmitteln – das sieht naturgemäß auch die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU) so. Für ein komplettes Pflanzenschutzmittel-Verbot im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde ist allerdings auch die ABU nicht. Vielmehr verweist ABU-Vorsitzender Joachim Drüke auf die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte durch die bewährte Zusammenarbeit von Landwirten, Landwirtschaftskammer, Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen beim kooperativen Vertragsnaturschutz.
„Wenn wir hier allerdings durch ein Verbot die Mitarbeit der Landwirte beim Schutz bodenbrütender Vögel, bei der Anlage von Brachen und nicht bewirtschafteten Säumen verlieren, dann hat der Naturschutz verloren. Schließlich sind Feldvögel auf die seit Jahrhunderten bis heute durch die Landwirte geschaffene offene Kulturlandschaft angewiesen."
Wenn diese nicht mehr wie bisher bewirtschaftet werden kann, werde das fatale Folgen für viele Vogelarten haben, unterstreicht auch Dr. Jürgen Wutschka als Kreis-Dezernent für Regionalentwicklung. "Damit wird eines der an sich ja gut gemeinten Schutzziele, nämlich der Natur- und Artenschutz, konterkariert. Wenn wir die Vogelarten erhalten wollen, dürfen wir ihnen nicht den Lebensraum entziehen“, machte er deutlich.
Landwirte im Kreis Soest
Landwirte aus dem Kreis Soest sind in diesem Jahr immer wieder mit Problemen konfrontiert. Er im Frühjahr zogen sie Bilanz: So viel Regen gab es lange nicht mehr, hieß es.